Sonntag, 1. September 2019
Unser kompliziertes Mutter-Tochter Verhältnis
Eigentlich sollte man meinen, dass uns nach all den Schwierigkeiten in der Schwangerschaft ein besonders enges Band miteinander verband. Jedoch war eher das Gegenteil der Fall. Meine Mutter und ich hatten nie ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Aber vielleicht ist das auch verständlich. Vielleicht machte meine Mutter mich indirekt für all ihre Entbehrungen verantwortlich und konnte mich deshalb nicht uneingeschränkt lieben. Hinzu kommt, dass sie wegen mir viele Jahre nicht arbeiten gehen konnte und deshalb besonders nach dem Umzug ohne Freunde und daher sehr isoliert wohnen musste.

Also, nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht, ich hatte eine schöne Kindheit und vermisste nichts. Ich bekam genug zu essen und täglich frische Wäsche. Auch wenn es meiner Mutter zeitweise bestimmt schwerfiel, mich wegen meines ungestümen Abenteuerdrangs den ganzen Tag über in saubere Sachen zu stecken. Denn meist waren Hose oder Pullover bereits am Nachmittag schmutzig oder gar zerrissen. Dass meine Mutter gut mit der Nähmaschine umgehen konnte, kam ihr damals bestimmt zugute.

Doch trotz meiner unbeschwerten Kindheit verbesserte sich das Verhältnis zu meiner Mutter nie. Auch heute noch ist es eher schwierig, doch dazu später mehr. Ich war immer wild und ein sogenanntes Papa-Kind. Ich kam auch ansonsten mit Jungs und Männern besser zurecht. Der übliche Mädchenkram war nie ganz so mein Ding und eine beste Freundin hatte ich nicht. Aber mehrere gute Kumpel, mit denen ich mich nachmittags herumbalgte oder um die Häuser zog. Ich war immer mehr wie ein Junge, mit den entsprechenden Interessen und Hobbys.
Meine Schwester hingegen war so, wie ein Mädchen sein sollte. Brav und sittsam... und so schrecklich langweilig (aus meiner Sicht).

Auch wenn ich, wie bereits berichtet, in meiner Kindheit nichts vermisste und meine Mutter im Grunde genommen immer auch für mich da war, so stimmte irgendetwas nicht. Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll. Am ehesten ist es wohl mit einer unsichtbaren Mauer zu vergleichen, die sich zwischen uns befand. Ich konnte mich zwar immer auf meine Mutter verlassen, wäre aber bereits als Kleinkind nie darauf gekommen, sie zum Beispiel spontan zu umarmen. Da war immer irgendwie eine Hemmschwelle, die ich bis heute nicht überwinden konnte. Ob auch meine Mutter es so empfand, weiß ich letztendlich natürlich nicht. Wir haben nie darüber gesprochen. Aber ihr späteres Verhalten zu mir oder meinen Kindern im Vergleich zu meiner Schwester und ihrem Nachwuchs gesehen, zeigen mir deutlich, dass mich mein Gefühl nicht trügt. Aber auch dazu in späteren Beiträgen mehr. Für heute soll es erst einmal genug sein.

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